Wenn Freundschaft auseinander geht

Ich dachte, es wäre für immer

 

Heute ist es ein Jahr her, dass wir zum letzten Mal mit einander geredet haben. Per WhatsApp. Deine letzte Nachricht war so voller Vorwurf und Anklage gepaart mit viel Verletzung, dass ich die Bremse gezogen habe.

Ich muss zugeben, damit habe ich nicht gerechnet. Wir sind seit über 30 Jahren befreundet gewesen. Mein Kopf sagt mir, dass es okay ist. Dass Menschen sich einfach verändern. Aber mein Herz, das rebelliert. Das versteht nicht, wieso und warum das alles so passiert ist.

 

Bei vielen Menschen war mir klar, dass sich die Wege irgendwann trennen- aber bei dir habe ich das nicht für möglich gehalten. 
Wir haben viel miteinander erlebt und unsere Freundschaft hatte immer Höhen und Tiefen. Du warst der Mensch, den ich nachts um 3 anrufen konnte und du wärst sofort da gewesen. Und umgekehrt. Wir haben uns so oft beim Wein ewige Freundschaft geschworen und uns in die Hand versprochen, immer ehrlich zu sein. Uns die Wahrheit zu sagen. So ganz nach dem Motto: „Wenn ich so werde wie XY, dann musst du mir das sagen. Ich verlasse mich auf dich.“
Doch wenn wir ehrlich sind, hat diese Ehrlichkeit unsere Freundschaft nicht vertragen. 
Wir haben völlig unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen. Schon immer. Während ich in meinen Zwanzigern mit Kinderkriegen, Heiraten, Haus kaufen und irgendwie den Alltag mit 3 Kindern beschäftigt war, hast du dich ausgetobt. Hast dich beruflich gefunden, weiterentwickelt, deinen Mann fürs Leben gefunden. 
In dem Moment, wirklich auf den Tag genau, als ich meine berufliche Neuorientierung starte, begann für dich das Leben als Mama. 
Also lebten wir wieder in völlig unterschiedlichen Welten. Doch irgendwie waren wir trotzdem immer für einander da. Wenn wir uns eine Zeitlang nicht gesehen haben, haben wir einfach da weitergemacht, wo wir aufgehört haben. 

Wir lagen so auf einer Wellenlänge.

Mit uns war es immer easy. Mit dir auf eine Party gehen, war so cool und so entspannt. Einfach ein bisschen tanzen, Quatsch reden, lachen und trinken- auch mal nur Wasser, kein Ding. 
Unvergesslich waren unsere Weihnachtsmarkt Besuche. Auch so unkompliziert und mit recht interessanten Rückfahrten. Denn meistens haben wir da kein Wasser getrunken. 
Du warst wie eine Schwester. Wir hatten keine Geheimnisse voreinander. Du wusstest es sofort, wenn hier schlechte Stimmung war. Du warst in echt harten Zeiten ohne mit deiner Wimper zu zucken an meiner Seite. Genau wie ich an deiner. Und ja, wir hatten jeder echt harte Zeiten. Zeiten, in denen unsere Welt so ins Wanken geriet. Wo wir nichts mehr verstanden haben. Wo keiner von uns wusste, wie es weiter gehen soll. Woher wir die Kraft nehmen sollen. 
Gemeinsam war vieles einfacher. Gemeinsam waren wir so viel stärker. Ja, ich verstehe mein Herz, dass es immer noch nicht ganz begreifen kann, was da passiert ist.

Was ist passiert? 

Ja, was ist mit uns passiert? Wenn eine Freundschaft wie unsere auseinander geht, dann kann man nicht so tun, als wäre das die Schuld von einer. Man kann auch nicht so tun, als wäre das plötzlich gekommen. 
Wir haben uns verändert. Jede auf ihre eigene Art und Weise. Wir haben völlig unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen. Unsere Werte haben sich verändert. Genauso wie die privaten Zeiten. Wie schon gesagt, als ich meine Kinder klein hatte, warst du teilweise 14 Stunden arbeiten. Da war auch oft wenig Zeit für uns, was uns nicht aufgehalten hat. 
Jetzt hattest du die Kinder-Zeit und ich war teilweise 14 Stunden am Schreibtisch und hatte weniger Zeit, als wir es gewohnt waren. 
Oftmals fühlten wir beide uns einfach nicht von der anderen verstanden. Wir haben sicher unser Bestes gegeben. Aber es war einfach nicht mehr das, was es war. 
Und dann kam der Moment, wo ich leider erkennen musste, dass unsere Freundschaft nicht so viel Ehrlichkeit aushält, wie wir uns immer versprochen haben. Für mich waren das keine blöden Floskeln, sondern ich habe wirklich gedacht, ich kann wiedergeben, wie ich mich zu dem Zeitpunkt fühlte. 
Das war, im Nachhinein gesehen, reichlich naiv. Es löste so einen Tsunami aus. Vielleicht lag es auch an der Pandemie, dass die Nerven eh blank lagen, die unterschiedlichen Lebenseinstellungen einfach viel deutlicher durchkamen, als es sonst der Fall gewesen wäre. 
Es folgten große persönliche Verletzungen und Kränkungen auf beiden Seiten. Klare und offene Gespräche, wie wir sie sonst geführt haben, waren nicht möglich. Vielleicht wäre es für uns gut gewesen, wenn es kein WhatsApp geben würde. Dann hätten manche Worte einen anderen Klang gehabt, dass sich wieder in den Arm nehmen wäre leichter gewesen… aber über all das nachzudenken ist müßig. 
Irgendwann habe ich gesagt: „Wenn ich gewusst hätte, was da ins Rollen kommt, hätte ich die Klappe gehalten.“ 
Der Kommentar meines Mannes war: „Denk mal darüber nach, was du da gerade gesagt hast. Was sagt das denn über eure Freundschaft aus?“
Wie recht er hat. Was sagt das über eine Freundschaft aus, in der man sich nicht mehr Ehrlich begegnen kann. Wenn keine mehr sagt, wie sie sich wirklich fühlt? 
Ich weiß, dass ich mich wiederhole. Doch die Frage die alles verändert, darf sich auch hier gestellt werden; Was will ich? Wer bin ich? 
Wir haben alle eine begrenzte Zeit hier auf der Welt. Auch dies ist eine Wiederholung. Doch eine ebenso wichtige. Mit wem möchte ich meine so wertvolle Lebenszeit verbringen? Welche Begegnungen möchte ich haben? 

Zeit für die Zukunft

Unsere früheren Zeiten würde ich sofort wieder zurückwollen. Jederzeit. Aber das ist heute halt nicht mehr. Es schreibt sich übrigens grad leichter, als es ist. 
Wir haben beide ein wenig die Augen verschlossen und gemeinsam an etwas festgehalten, was nicht mehr ist. Wir haben es beide nicht hinbekommen, unsere Differenzen zu überwinden. 
Und das ist okay. Aber es ist Ultra schade. Denn ich vermisse uns. Ich vermisse dich. Und ein bisschen hoffe ich natürlich, dass es dir ähnlich geht. 
Wir gehen nun jeder unseren eigenen Weg. Wir haben neue Menschen in unseren Leben begrüßen dürfen. Manchmal sehe ich dich auf Fotos mit diesem neuen Menschen und es versetzt mir noch einen kleinen Stich. Ja, das darf es auch. Doch ich sehe, wie du lachst und freue mich, dass es dir gut geht. 
In Liebe gehen lassen- leichter gesagt, als getan. Natürlich hält das Ego noch an Schuld und Verantwortung fest. Natürlich will das Ego, dass jemand schuld ist. Es liest mir immer wieder Sätze vor, die du mir geschrieben hast und nicht gerade nett waren. Auch hier vermute ich, geht es dir ähnlich. 
Manchmal dürfen wir einsehen, dass es keine Schuld gibt. Dass die Verantwortung nicht von einer Person getragen wird. Dieses Wissen, jeder handelt zu jeder Zeit immer in seiner besten Möglichkeit, das macht es leichter. Wir haben beide unser Bestes gegeben. Doch unser Bestes war zu diesem Zeitpunkt einfach nicht genug. 
So ist das im Leben. Wir verändern uns. Wir entwickeln uns weiter. Das schönste Kompliment, was wir jemanden machen können ist zu sagen: „Du hast dich aber verändert!“ Denn ja, das ist großartig. Das ist unsere evolutionsbestimmte Aufgabe hier auf Erden. 
Dieses Kompliment spreche ich dir gerne aus. Ich freue mich für dich. Ich freue mich, wenn du glücklich bist. Wirklich aus tiefsten Herzen glücklich bist. Auch wenn wir es nicht mehr gemeinsam sind. 
Pass gut auf dich auf. Ich weiß bis heute nicht, was ich tun soll oder reagieren soll, wenn wir uns mal wiedersehen. Doch das werde ich schon noch herausfinden.

Warum erzähle ich dir das alles?

Vielleicht kennst du das ja auch? Vielleicht hältst du noch an Freundschaften und Bekanntschaften fest, obwohl sie nur noch aus Erinnerungen bestehen. Wenn man Zeit miteinander verbringt, obwohl man das gar nicht mehr möchte. Wo auch keine Ehrlichkeit möglich ist. Dafür aber Verbiegen und Verstellen und einen auf „gut Wetter“ machen. Wir Frauen sind da sehr gut drin. 
Ich kann dich so gut verstehen und kann auch verstehen, dass es weh tut. Loslassen ist nicht leicht. Aber das muss es ja auch gar nicht. Für mich ist das auch eine große Anerkennung, an das, was war. Stell dir vor, es wäre dir einfach egal. 
Meine Oma hat immer gesagt; „Alles im Leben hat seine Zeit.“ Stimmt. 
Ebenfalls hat meine Oma mir gesagt: „Du wirst viele Bekannte in deinem Leben haben, aber richtige Freunde hat man oft nur ein paar wenige.“  Ja, auch da hat meine Oma Recht. Es ist so wichtig zu schauen, mit wem du deine Zeit verbringst. Es ist so wichtig, darauf zu achten, was DU wirklich brauchst und wer dir guttut. Und wer nicht. 
Schau deinem Leben und deiner Wahrheit ins Gesicht und lasse das los, was einfach nicht mehr passt. 
 

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