Wenn Kinder klein sind

Wenn Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln - wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel

Eine Freundin schrieb bei Facebook, dass ihr Junge nun 2. Klässler ist und sie total emotional sei.

Der erste Gedanke war: "Ja was soll ich denn sagen? Meine Tochter zieht in 2 Wochen aus."

Der nächste Eintrag war von einer Frau, deren Bub jetzt heiratet und sie im Oktober Oma wird… 

Kinder zu bekommen bedeutet tatsächlich eine emotionale Achterbahnfahrt… und das dauernd. 
Ihre ersten Schritte, das erste Mal Mama und Papa sagen, der Kindergarten, die Schulzeit und das ganze schöne Leben drum herum. 
Es gibt so viele Momente, die einfach emotional sind und wo du dich fragst: "Wann ist das passiert?"

Es ist die Zeit für Flügel

Mein großes Fräulein verlässt wirklich das Nest. Klar, im ersten Moment bekomme ich einen großen Klos im Hals. Richtig vorstellen kann ich mir ihre Abwesenheit noch nicht. Deshalb ist es sehr nett von ihr, dass sie jetzt schon eine Woche mit einer Freundin im Urlaub ist. Auch das erste Mal. Und ich freue mich so für sie. Ihre Nachrichten, über den Flug, den Weg zur Wohnung, das einchecken und wie sie jetzt die Stadt entdecken. Wie sie ihre Komfortzone erweitern und die Grenzen weiter stecken. Ich freue mich, dass sie so viel Freude hat. 

Von Außen wird mir im Moment sehr viel Mitgefühl entgegengebracht. „Oh, die Große zieht aus? Das ist bestimmt schwer für dich.“ 

Ja Leute, was denkt ihr denn? 

Natürlich ist es emotional. Aber schwer? 

Ich fühle, dass es einfach an der Zeit ist. Das sie bereit ist, zu gehen und dass sie auch ihren eigenen Weg gehen möchte. 

Es ist nicht die Frage ob ich das aushalten kann - natürlich können wir als Eltern das. Doch was es zur Herausforderung macht, ist das Vertrauen. Nicht in das Kind. Sondern in uns als Eltern. 

Die Fragen die sich stellen sind; 
„Habe ich ihr alles mitgegeben? 
Reicht das, was ich getan habe, dass sie Vertrauen in ihre Fähigkeiten bekommen hat?“

Es ist eine Zeit der Reflektion. Es kommen natürlich Gedanken, wo es nicht so gut gelaufen ist. Wo ich nicht unbedingt in meiner Kraft war und sicherlich nicht so reagiert habe, wie ich es gerne hätte. Zum Menschsein gehört das dazu. Auch wenn wir da mit uns selbst sehr hart ins Gericht gehen.
Doch wenn ich jetzt anfange zu zweifeln- was vermittle ich damit meiner Tochter? 
Dass ich etwas nicht richtig gemacht habe und sie deshalb nicht richtig ist? Das jetzt ein Mangel besteht? 

Das, ist ehrlich gesagt, das Letzte, was ich gerade möchte. 

Im Vertrauen bleiben

Ich habe, so wie ihr auch, wunderbare Kinder. Sie sind für uns absolut vollkommen. Sie haben sich uns als Eltern ausgesucht und haben das Potenzial, mit unseren Schwächen gut klar zu kommen. Vielleicht mache ich es mir da ein bisschen zu leicht. Ich weiß es nicht. Aber mein Fokus liegt nicht auf dem, was nicht gut gelaufen ist. Mein Fokus liegt ganz eindeutig auf dem, was richtig gut war. 
Das wir ein tiefes und sehr inniges Verhältnis haben. Das wir offen miteinander umgehen und am Leben der anderen teilhaben. Das wir uns sehr liebhaben und sehr wertschätzend miteinander umgehen. Das wir als Eltern auch viel Quatsch mit unseren Kindern machen. 

An dieser Stelle muss ich mir einfach vertrauen. Das wir unseren Kindern alles mitgegeben haben, was sie brauchen. Das sie wissen, dass wir immer für sie da sind und sie uns auch immer um Hilfe bitten können. 

Alles hat seine Zeit

Seit etwas mehr als 3 Monaten ist die Große nun zu Hause. Keine Schule mehr, kein Lernen. Sie geht arbeiten und lebt. (Und ich bin so dankbar, dass das endlich wieder möglich ist- aber das ist ein ganz anderes Thema)

Da sie nun ihren Radius hier vor Ort erweitert und viel unterwegs ist, wird sie natürlich auch eigenständiger. 
Ich kann sie so gut verstehen, dass sie sich freut, ihre eigenen 4 Wände zu haben. Das es für sie, nach der kulinarischen Durststrecke hier auf dem Land, so verlockend ist welche Möglichkeiten sich in der Großstadt bieten. Nicht nur kulinarisch.
Sich ausprobieren, Erfahrungen sammeln, manches vielleicht nicht ganz so ernst und genau nehmen. Darum geht es doch, oder? 
Und ich darf mir an ihr ein Beispiel nehmen. Ich darf von ihr lernen, ihre unbekümmerte Sicht auf das Leben wieder mehr zu übernehmen. Sie geht mutig und straight ihren Weg. Das heißt nicht, dass sie alles in Stein gemeißelt hat. Nein, sie beginnt ihren Weg und schaut, wohin der sie führt. 

Das macht mich bzw. uns so stolz. Das sie sich nicht verschließt oder versteift. Dass sie flexibel ist und dennoch ihre Ziele klar vor Augen hat. 

Gerade was die Berufswahl angeht, haben wir andere Grundsätze, als die, die uns vor 30 Jahren gepredigt wurden. 
Der Gedanke, dass ich mich mit 18 für einen Beruf entschieden muss, den ich dann mein Leben lang ausübe, der ist für uns völlig absurd. 
Weder Markus noch ich arbeiten in dem Beruf, den wir mal gelernt haben. Aber unser Beruf ist eine großartige Grundlage für unser heutiges Tun. 

Tue, was dich glücklich macht

Wir haben unseren Kindern gesagt, Tue was dich glücklich macht. Achte darauf, dass du in deinem Job deine Stärken leben kannst. Und wenn sich das im Laufe deines Lebens ändert, dann ist das so. Sei flexibel. 

Ich bin sehr gespannt, wo die Reise meiner Kinder hinführt. Und natürlich werde ich die Große hier sicherlich vermissen. Aber sie ist doch deshalb nicht wirklich weg. Ihre Art, ihr Wesen, es ist überall hier im Haus. Sie wird uns sicher oft besuchen und in unseren Vorratsschränken einkaufen gehen. Wir werden sie besuchen und mit ihr Zeit verbringen. Es ist vielleicht weniger Zeit, aber wer weiß, ob diese Zeit nicht qualitativ viel hochwertiger ist. 

Der Tag, an dem wir ihre Möbel hier aus dem Haus tragen, wird bestimmt hart und tränenreich. 
Aber tief in mir weiß ich, dass alles gut ist. 
Tief in mir weiß ich, dass ich die Ängste annehmen darf aber in meinem Vertrauen bleiben darf, dass alles gut ist. Das es auch die richtige Zeit ist. Das mein Kind alles hat, was es braucht und dass sie immer wieder kommen kann. 

Ich freue mich, auf das, was da noch kommt. 
 

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